Swinging Sixties

Feministinnen vertreten logischerweise immer den Ansatz, dass Männer an aus ihrer missliebigen Situation Schuld sind. Zwei Fehler, denn erstens ist nicht jede Benachteiligung, oder das, was sie dafür halten, eine Benachteiligung von Frauen; und zweitens sind es oft genug die Frauen selbst, die sich kasteien. Die sich gegenseitig kontrollieren und verächtlich machen, wenn etwas nicht passt. Schminken, Kleidung, Behaarung, in allererster Linie stören sich Frauen aneinander. Sie selbst behaupten natürlich lieber, es wäre »die Gesellschaft«, aber Hand auf’s Herz, oft sind es die Frauen selbst.

wife without bra is walking
Swinging. dangling, schaukeling

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Der jugendliche Ableger (ZE.TT) einer der größten deustchen Wochenzeitschriften (Die ZEIT) veröffentlicht einen Artikel, wo eine junge Frau schreibt, wie es sich anfühlt, mit großen Brüsten keinen BH zu tragen! Enthüllungsjournalismus im 21. Jahrhundert; ohne BH rausgehen und am öffentlichen Leben teilnehmen – das hätten sich vermutlich nicht einmal Robert Capa oder Ellie Beinhorn getraut.

Screenshot von ze.tt
Screenshot von ze.tt

Auf dem Bild zum Artikel (ohne Kopf, was peinlich genug wäre) ist nicht die Redakteurin/Autorin zu sehen, sondern eine Frau mit kleinen Brüsten (vielleicht ein kleines C), keinesfalls Körbchengröße E. Nicht treffende Symbolbilder sind eine Pest des modernen Journalismus‘. Warum fürchtet sich die Verfasserin ein Bild zu drucken, welches sie ohne BH zeigt? Weil dann jeder Leser ihres Blättchens weiß, dass sie große Titten hat? Das, wo sie doch greade ihr Experiment vorstellt? Blödsinn, das schreibt sie ja sogar. Sie will also anonym bleiben? Aber am Ende des Artikels dann ein Link zum Profil, inklusive Bild. Es wird vermutlich ihr Geheimnis bleiben, warum dem Artikel ein aussagekräftiges Bild von ihr fehlt.

Ende der Sechzigerjahre haben die Frauen ihre Büstenhalter verbrannt(!), das war ein Protest. Raus auf die Straße und demonstriert, dass sie es leid waren, sich und ihre schwingenden Brüste gängeln und in ein Korsett zwängen zu lassen. Heute schreibt man halb anonym einen Artikel und fühlt sich wie dabei Michail Bakunin. So sehr ich ihr Anliegen unterstütze und sie verstehe, aber etwas mehr Verve hätte ich mir und der Sache letztlich gewünscht.

Schließlich kämpft sie nicht gegen Sitte und Anstand (das wäre ja leicht), sondern gegen die Mode- und Bekleidungsindustrie. Die hat es in den vergangenen fünfzig Jahren geschafft, den BH wieder zum unverzichtbaren Kleidungsstück zu machen. Das ist das wirklich traurige an der Sache. Da werden Mädchen und junge Frauen derart manipuliert, dass sie später als Frauen schon den Gedanken, ohne BH das Haus zu verlassen, frevelhaft, sündig und schlampig (im Sinne von unordentlich) finden. Liebe Annik Walter, ich hoffe inständig, dass Sie wirklich Chefredakteurin der Vogue werden (was ja ihr Wunsch und Ziel ist) und dass sie dann die richtig scharfen Schwerter auspacken und sich daran machen, das elende Korsett der Büstenhalter zu zerschneiden. Vermutlich geht es Ihnen dann aber wie Don Quichotte, denn die Miederindustrie und Lingeriehersteller sind gute Anzeigenkunden. Und da muss letztlich jeder Chefredakteur klein beigeben.

Swinging Sixties

Feminists logically always take the approach that men are to blame for their unpopular situation. Two mistakes, because firstly, not every disadvantage, or what they think is a disadvantage, is a disadvantage espeacially for women; and secondly, often enough it is women themselves who chasten themselves. Who control each other and scorn each other when something is not right. Make-up, clothing, hair, in the first place, women interfere with each other. Of course, they themselves prefer to claim that it is society, but hand on heart, often it is the women themselves.

You have to savour this slowly: The youthful offshoot (ZE.TT) of one of the biggest German weekly magazines (Die ZEIT) publishes an article in which a young woman writes how it feels not to wear a bra with big breasts! Exposure journalism in the 21st century; going out without a bra and participating in public life – probably not even Robert Capa or Ellie Beinhorn would have dared to do that.

On the picture accompanying the article (without a head, which would be embarrassing enough) you do not see the editor/author, but a woman with small breasts (maybe a small C), by no means cup size E. Inappropriate symbolic images are a plague of modern journalism. Why is the author afraid to print a picture that shows her without a bra? Because then every reader of her paper will know that she has big tits? The one where she presents her experiment? Bullshit, she even writes that. So she wants to remain anonymous? But at the end of the article a link to her profile, including a picture. It will probably remain her secret why the article lacks a meaningful picture of her.

At the end of the sixties women burned their bras (!), that was a protest. Out into the streets and demonstrated that they were tired of having themselves and their swinging breasts manhandled and forced into a corset. Today you write an article half anonymously and feel like Michail Bakunin. As much as I support their cause and understand them, I would have liked to see a little more verve in the end.

After all, she is not fighting against morality and decency (that would be easy), but against the fashion and clothing industry. Over the past fifty years, the industry has managed to make the bra an indispensable piece of clothing again. That is the really sad thing about it. Girls and young women are manipulated in such a way that later on, as women, they find the idea of leaving the house without a bra sacrilegious, sinful and sloppy (in the sense of messy). Dear Annik Walter, I sincerely hope that you really will become editor-in-chief of Vogue (which is your wish and goal) and that you will then unpack the sharp swords and start cutting the miserable corset of bras. But then you’ll probably feel like Don Quixote, because the corsetry industry and lingerie manufacturers are good advertisers, and every editor-in-chief has to give in.


18 Gedanken zu “Swinging Sixties

  1. Was für ein herrliches gif von Esther…
    und ein guter Kommentar aus der Feder eines Mannes. Und auch erst durch die Inspiration eines Mannes habe ich nach jahrelanger Klausur (mein halbes Leben lang!) meinen (B-)Brüsten die Freiheit geschenkt. Diese danken es mir mit ihrem ungenierten Schwingen, das meine anfängliche Unsicherheit schon bald in verbessertes Selbstwertgefühl verwandelte und stets neugierigen Nippeln, die ihre Anziehungskraft nicht verfehlen. Es lohnt sich es auszuprobieren -und verbessert den Sex noch obendrein…garantiert! Nur noch ab und zu werde ich schwach und inhaftiere sie in meine sündhaft teuren Dessous-Errungenschaften aus der Vergangenheit-aber imner seltener…

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    1. Vermutlich dann, wenn du einen neuen Liebhaber in dein Leben lassen willst. Sind es doch meist jene, die man versucht mit aufregender Unterwäsche zu beeindrucken.

      Merke: Unterwäsche beeindruckt dann am meisten, wenn man sie weglässt. Besonders mich. Zeitersparnis.

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  2. Wie recht du hast! Da zieht frau sich vor dem 1.Date zig mal um, sucht das atemberaubendste „Untendrunter“ aus und der Typ will sie nur hastig entblättern… Vergebene Liebesmüh! Zum Glück bin ich gerade gut versorgt und muss mir über diese ersten Begegnungsmalheure weniger Gedanken machen…vielleicht sollte ich einfach alle meine BHs verbrennen 🔥

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    1. In meiner letzten Bettziehung (cooler Verschreiber!😜), waren diese Dessous immer im Vordergrund beim Sex. Fand ich doof. Nun lebe ich in einer Beziehung, die all dieses Verkleiden nicht nötig hat. Das ist toll, natürlich und stärkt das Selbstbewusstsein.

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    1. Recht hast Du, die Wahrheit kommt früher oder später eh ans Licht. Natürlichkeit und Ehrlichkeit sagen mir mehr zu als Blender/ innen

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  3. Also wegen mir muss sich eine Frau nicht in so ein Scheißding quetschen. Mir wäre es sogar schnurz ob Slip oder nicht. Und überhaupt sind Textilien eh nur störend. Wenn man sich überlegt, wie viele Nylons sterben mussten für all die …

    Ok, Spaß beiseite. Ich habe totales Verständnis für all die Frauen, bei denen es medizinisch erwiesen ist, dass diverse Genick und auch Rückenschmerzen von großen schweren Brüsten herrühren. Dass sich eine Frau dann lieber so einen BH antut als sich an den Titten rumoperieren zu lassen ist einleuchtend. Aber ansonsten sollten Frauen obenrum so rumlaufen wie es ihnen passt. Und wenn sie sich für oben ohne entscheiden, dann hat das die Umwelt so zu akzeptieren. Aber da gerade die Frauen dann ihre Lästermäuler nicht in Zaum halten können, ist das wie dem Ochs ins Horn petzen. Männer sagen da höchstens, „guck dir die Schläuche an“, oder so Sachen wie, „von denen will ich aber auch nicht zerquetscht werden“. Ironie ist dabei aber ebenso meist, dass es genau das ist, was ihnen insgeheim gefällt. Doch tatsächlich ist der Tittenvergleich unter Frauen viel krasser, als der Schwanzvergleich unter Männern. Egal wo ich auch war, ob in der Sauna, am FKK Strand oder im Swingerclub, überall tuschelten die Weiber untereinander über die Titten anderer Frauen. Nicht mal die Ärsche oder die Hüften. Nein, die Titten waren es immer. Und was für fiese Sachen manchmal getuschelt wurden. Dass ein Kerl seinem Kumpel mal sagte, dass er einen anderen Mann um seine Schwanzgröße beneide, war so selten wie der Hauptgewinn an der Losbude.

    Und um ein weiteres Kompliment los zu lassen …
    Wenn einem solch ein Bild wie oben geboten wird, kann man nur hoffen, dass der Reißverschluss der Hose hält. Nach genau SOWAS dreht sich ein Mann von Welt um. Ich würde sogar nett lächelnd ein Stück weit rückwärts mitlaufen.

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  4. Als eine, die praktisch nie einen BH trägt und dafür sogar von ihrem Arzt gelobt wurde, kann ich dir zu diesem Artikel nur applaudieren.
    Aber eine Frage bleibt dann doch: ebenso selten wie Frauen ohne diese Zwille scheinen Männer zu sein, die „ihn“ in geräumiger Hose frei baumeln lassen. Warum ist das so? 🤔
    Liebe Grüße
    Camilla

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